"Vertrauen Sie nicht blind den Notenbanken!"
Steigende Zinsen? Niemals?
Was ist da los? Während die FED bereits jetzt über Zinserhöhungen nachdenkt, ist dies in Europa nicht mal ansatzweise eine Diskussion wert. Oder doch? Die aktuelle Gegenbewegung im Zinsbereich sollte Sie aufhorchen lassen: Der Bund-Future bricht innerhalb weniger Tage um fast 700 Stellen ein, die Umlaufrendite springt nach oben, zehnjährige Bundesanleihen wieder bei 0,53 %. Jahresausgangsniveau fast erreicht, und das bei einem zwischenzeitlichen Verfall auf 0,07 %!
Eine ausführliche Diskussion dieser Gegenbewegung sucht man in den Medien bisher allerdings vergeblich. Der Glaube daran, dass die EZB das Niedrigzinsniveau mit ihrem Anleihekaufprogramm sicher im Griff hat, ist unumstößlich. Aber ist das wirklich garantiert?
Unterschätzen Sie nicht das Unkalkulierbare
Unkalkulierbare Notenbankaktion Teil 1: Im Januar 2015 beschloss die Schweizerische Notenbank (SNB), den EUR/CHF-Kurs nicht weiter durch Euro-Ankäufe zu stützen. Eine pragmatische Entscheidung, angesichts der unaufhaltsam steigenden Bilanzrisiken der SNB. Die kurzfristig heftige Reaktion der Währungs- und auch Aktienmärkte unterstreicht den Überraschungseffekt dieser Notenbankmaßnahme.
Unkalkulierbare Notenbankaktion Teil 2: Die Lehman-Pleite im Jahr 2008. Wie konnte es damals zu einer derartigen Panik kommen? Weil die große Mehrheit der Anleger total auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Alle hatten sich auf die FED verlassen. Lehman ist „too big to fail“, wird auf jeden Fall gerettet, im Notfall verstaatlicht. Wenige hatten erwartet, dass die Großbank fallen gelassen wird - die globale Schockwirkung war dementsprechend groß.
Unkalkulierbare Notenbankaktion Teil 3: Die EZB?
„Whatever it takes“
Die aktuell durchgeführten Anleihekäufe belegen, dass die EZB diesen Kurs zumindest bisher mit voller Konsequenz beschreitet. Das Niedrigzinsniveau scheint fixiert und mittlerweile über jede Diskussion erhaben zu sein. Aber: Immer dann, wenn ein Sachverhalt zur „Selbstverständlichkeit“ erklärt wird, ist äußerste Vorsicht angebracht!
Vielleicht sind diese „sicher“ geglaubten Anleihekäufe gar nicht so sicher? Finanzmärkte sind erstaunlich effizient, schnell und zukunftsorientiert. Sie preisen nicht nur aktuelle Ereignisse ein, sondern auch die zukünftigen Erwartungen. Aktuell sind alle Anleger davon überzeugt, dass die Renditen über alle Laufzeiten hinweg - zumindest für die Dauer des angekündigten QE-Programms - tief bleiben werden. Diese Denkweise ist gefährlich einseitig. Verlieren Sie die unkalkulierbare Komponente einer Notenbankentscheidung nie aus den Augen!
Notenbanken agieren pragmatisch. Die EZB wird nicht auf immer und ewig für niedrige Zinsen sorgen, sondern der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen. Was passiert, wenn Griechenland aus der Euro-Zone fliegt? Wenn die EZB die Situation neu analysiert und die Anleihekäufe überraschend stoppt? Zum aktuellen Zeitpunkt kann man darüber nur spekulieren. Aber diese Überlegungen sind wichtig, um gegen alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Schwarze Schwäne tauchen eben überraschend auf! Vor allem dann, wenn niemand damit rechnet!
Fazit
Die Geschichte sollte Anleger eigentlich gelehrt haben, dass es sehr gefährlich sein kann, sich auf Absichtserklärungen einer Notenbank oder auch eines Staates „blind zu verlassen“. Dieses blinde Vertrauen sorgt stets für unangenehmes Überraschungspotential. Vermeiden Sie deshalb eine einseitige Sichtweise und beachten Sie den Marktkonsens. Sind sich fast alle Anleger über die weiteren Geschehnisse einig, geschieht tendenziell eher das Gegenteil! Der Markt macht die Musik und die Notenbank wird dazu tanzen, nicht umgekehrt!
Weitere umfangreiche Auswertungen und überraschende Ergebnisse sind in unserer Kapitalmarktprognose für 2015 erhältlich. Sie können sich diese Prognose unter www.gruener-fisher.de anfordern.