"Schmerzhafte Energiekrise"

Die Probleme wollen nicht enden

Die Energiekrise in Europa beherrscht nun seit fast einem Jahr die Schlagzeilen, und viele befürchten, dass Engpässe zu einer Rezession führen werden. Der heiße und trockene Sommer hat zusätzliche Sorgen um die Energieversorgung geschürt, da Dürren nun auch die immer stärker nachgefragte Elektrizität beeinträchtigen. Klar ist: Der wirtschaftliche Schmerz für Haushalte und Unternehmen ist unverkennbar. Doch welche Auswirkungen hat dies für Anleger?

Ein Blick zurück

Schon im September 2021 stieg die Energienachfrage mit den Lockerungen der COVID-Beschränkungen weltweit sprunghaft an. Das Angebot konnte aufgrund vielfältiger Faktoren nicht Schritt halten. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland haben die Energiemärkte zusätzlich gestört und Versorgungswege haben sich entsprechend verändert. Vor diesem Hintergrund hat sich der Preisdruck in diesem Jahr noch verstärkt.

Vielfältige Faktoren

Die Diskussion über eine energiebedingte Rezession in Europa ist weiterhin allgegenwärtig und zeigt, wie trüb die Stimmung ist. Natürlich ist die Stimmung auch nicht grundlos derart schlecht. Die russischen Gasströme durch Nord-Stream-1 liegen seit Ende Juli bei etwa 20 % der vertraglich vereinbarten Mengen, was die Fähigkeit Europas zur Stromerzeugung belastet, während gleichzeitig die Speicher für den Winter gefüllt werden müssen. Darüber hinaus hat sich die Sommerhitze auch auf andere Energiequellen ausgewirkt: In Frankreich beeinträchtigen hohe Flusswassertemperaturen die Kühlung von Kernreaktoren. In Großbritannien, wo die Energieregulierungsbehörde Ofgem halbjährlich eine Obergrenze für die Energiepreise festsetzt, werden Rekordwerte, eine Verdopplung bzw. im weiteren Verlauf sogar eine Verdreifachung erwartet, was die Belastung der britischen Haushalte noch weiter erhöht.

Die Politik hat darauf zwar bereits auf vielfältige Weise reagiert. Von dem Appell zu freiwilligen Verbrauchssenkungen über Steuerreduzierungen bis hin zu Hilfspaketen zur Entlastung der Bürger. Doch die Sorgen bleiben.

Märkte blicken voraus

Viele betrachten jede Entwicklung in der europäischen Energiewirtschaft als einen neuen negativen Faktor, der die Märkte in Aufruhr versetzt. Aber Aktien bewegen sich nicht danach, ob die Dinge im objektiven Sinne "gut" oder "schlecht" sind. Vielmehr gilt es zu prüfen, ob es ein negatives Überraschungspotential gibt.

Die Märkte sind effiziente Verwerter von allgemein bekannten Informationen, und sie übersehen nichts von alledem. Man bedenke: Die Aktien der Eurozone sind im bisherigen Jahresverlauf zwischenzeitlich bereits um 20,0 % gesunken und lagen damit zu ihrem Tiefpunkt am 05. Juli deutlich hinter den globalen Aktien (-11,1 %) – ein Zeichen dafür, dass die Märkte ein schwächeres Wachstum für die Eurozone vorweggenommen haben. Trotz einer anschließenden dynamischen Erholungsbewegung im Juli liegen Aktien der Eurozone mit -13,5 % seit Jahresbeginn weiterhin deutlich hinter globalen Aktien (-2,4 %).

Fazit

Die omnipräsenten Energieängste tragen zum negativen Stimmungsbild unter Anlegern bei. Entscheidend bleibt jedoch die Frage, ob die Realität wirklich so schlimm ist, wie viele glauben. Die aktuellen Befürchtungen zeigen, wie niedrig die Messlatte für die Realität liegt. Wenn die Erwartungen so gering sind, könnte schon die Vermeidung von Stromausfällen und Energierationierungen ausreichen, um die Anleger positiv zu überraschen.

 

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