"Fallende Zinsen, steigendes Gold?"

Hoffnung auf neue Rekorde

Nicht nur die Aktienmärkte haben sich von der negativen Volatilität zur Jahresmitte erholt, auch der Goldpreis befindet sich aktuell im Aufwärtstrend. Erwartungsvoll blicken viele Anleger auf die weitere Entwicklung und vermuten, dass Gold seine früheren Höchststände in US-Dollar bald überwinden wird – obwohl die Inflation nachlässt und die geopolitischen Spannungen tendenziell abnehmen. Als Haupttreiber wird oftmals angeführt, dass die Aussicht auf sinkende Zinssätze den Goldpreis beflügeln wird.

Die Argumentation lautet wie folgt: Wenn die US-Notenbank die Zinsen senkt und/oder die langfristigen Zinssätze für US-Staatsanleihen fallen, steigt die relative Attraktivität von Gold im Vergleich zu Anleihen erheblich. In der Folge würden sich Scharen von Anlegern, die keine hohen Zinszahlungen mehr erhalten, dem gelben Edelmetall zuwenden und den Preis in die Höhe treiben. Diese Theorie klingt durchaus etwas logisch und ziemlich einfach, allerdings ist sie ebenso einfach zu widerlegen.

Keine langfristige Korrelation

Wenn sinkende Zinssätze tatsächlich gut für Gold sind, dann sollte mindestens die Erwartung erfüllt werden, dass sich die langfristigen Zeitreihen überwiegend in entgegengesetzte Richtungen bewegen. Das ist allerdings nicht der Fall. Seit 1973, als der freie Handel mit Gold begann, hat der Goldpreis zu US-Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit eine Korrelation von -0,07. Es gibt also so gut wie keine Verbindung, der Goldpreis entwickelt sich minimal häufiger entgegengesetzt zu den US-Zinsen – funktionell bedeutungslos und zufällig.

Entwicklung seit 2020 im Fokus

In dieser Entwicklung sind längere Zeiträume enthalten, in denen der Goldpreis parallel zu den US-Zinsen gelaufen ist, beispielsweise in der Abwärtsbewegung während der 1980er und 1990er Jahre. Es gibt aber auch Zeitpunkte zu beobachten, in denen die Gegenläufigkeit nahezu perfekt zu funktionieren scheint. Beispielsweise markierten beide Zeitreihen am 6. August 2020 einen Wendepunkt – langfristige US-Zinsen erreichten ihren Tiefpunkt und Gold sein jüngstes Allzeithoch. Seitdem sind die Zinsen gestiegen und Gold hat sich schwer getan. Es fällt also leicht, hier einen fundamentalen Zusammenhang zu vermuten und diesen in die Zukunft zu extrapolieren.

Wir sind jedoch der Meinung, dass dies einer genaueren Prüfung nicht standhält. Beide Wendepunkte fielen in das Jahr 2020, als die Volatilität förmlich explodierte, die Stimmung apokalyptisch wurde und die Fed massiv intervenierte. Selbst in diesem Zeitfenster ist die Korrelation aber mit -0,23 nicht viel aussagekräftiger. In diesem Zeitraum stiegen die US-Zinsen um mehr als vier Prozentpunkte an, der Goldpreis hat es trotzdem „überlebt“ und sich tendenziell seitwärts entwickelt. Kräftige Zinserhöhungen zerstören den Goldpreis nicht, also fällt es uns schwer zu verstehen, warum fallende Zinsen plötzlich einen massiven Aufwärtstrend bei Gold erzeugen sollen.

Fazit

Unsere grundsätzliche Einstellung zu Gold bleibt unverändert: eine erfolgreiche Investition in Gold (im relativen Vergleich zu alternativen Anlageklassen wie Anleihen und Aktien) erfordert außergewöhnlich gute Timing-Fähigkeiten. Ein schwieriges bis unmögliches Unterfangen, da der Goldpreis sehr stark von unkalkulierbaren Marktstimmungen beeinflusst wird. In diesem Zusammenhang hilft auch der Blick auf die US-Zinsentwicklung nicht wirklich, denn Gold und Zinsen haben keine vordefinierte, langfristige Beziehung zueinander.

Zurück