"Die Ruhe vor dem Sturm?"

Aktienmärkte bleiben anstrengend

Die negative Volatilität an den globalen Aktienmärkten macht den Anlegern weiterhin zu schaffen. Marktexperten führen verschiedene Argumente an, warum in naher Zukunft noch mehr Ungemach zu erwarten ist – steigende Zinsen, Maßnahmen der Fed, die Energiekrise in Europa, schwächere Gewinnschätzungen und vieles mehr. Hinter dieser Argumentation steckt jedoch häufig die Annahme, dass die Mehrheit der Anleger bisher nicht fähig war, diese Problemstellungen zu berücksichtigen. Somit stünde ihre Kapitulation und eine wahre Massenflucht aus den Aktienmärkten erst noch bevor.

Grundsätzlich ist ein derartiges Bewegungsmuster zwar typisch, aber wir halten es für übertrieben zu behaupten, dass eine Kapitulationsbewegung die Voraussetzung für eine Erholung darstellt. Die Tatsache, dass die Anleger in der Vergangenheit oft in der Nähe von Markttiefs kapituliert haben, bedeutet nicht, dass sie dies immer tun müssen. Und wir sehen einen wichtigen Grund, warum eine Massenflucht aus Aktien diesmal unwahrscheinlich ist.

Keine Alternativen

Ganz einfach: Wenn man die Aktienmärkte verlässt, was ist die beste Alternative? Bargeld ist angesichts der hohen Inflation ein offensichtliches Verlustgeschäft. Gold hat als vermeintlicher Inflationsschutz einmal mehr nicht funktioniert. Auch Rohstoffe sind im Allgemeinen rückläufig, nachdem sich die Befürchtungen, der Krieg in der Ukraine könnte zu großen Engpässen führen, als übertrieben erwiesen haben. Abstürzende Kryptowährungen waren weit davon entfernt, einen „sicheren Hafen“ darzustellen, der die Probleme ängstlicher Aktienanleger löst. Selbst die traditionellste "sichere" Alternative, Anleihen, sind seit ihrem Höchststand Anfang Januar 2021 zweistellig gefallen. Wir sagen nicht, dass sich diese Vermögenswerte nicht erholen werden, und wir sind der Meinung, dass der Rückgang der Anleihen auf die Stimmung zurückzuführen ist und nicht mit den längerfristigen Angebots- und Nachfragegrundlagen des Anleihenmarktes übereinstimmt. Aber es ist wohl so, dass dort die Angst regiert, was den Markt zu einem unattraktiven Ziel für Menschen macht, die versucht sind, emotional auf den Rückgang der Aktienmärkte zu reagieren.

Mehr Bewegung bei Anleihen

Die Daten für den US-Markt zeigen, dass Anleger in diesem Jahr viel mehr Geld aus Anleihen abgezogen haben als aus Aktien. Tendenziell ist die erzielte Rendite ein guter Indikator, wie sich Zu- und Abflüsse in der nächsten Zeit verhalten werden. Was dem Anleihemarkt somit hohe Abflüsse beschert hat, ist der stetige Abwärtstrend über einen langen Zeitraum hinweg – weniger die absolute Höhe der Kursverluste selbst. Im US-Aktienmarkt hingegen sind zwar ebenfalls kurze Ausbrüche mit hohen Abflüssen zu beobachten, im Rahmen dynamischer Zwischenerholungen wurden diese Effekte allerdings immer wieder abgemildert. Im Vergleich zu früheren Stresssituationen – wie beispielsweise der COVID-Crash im März 2020 – sind die Abflüsse bei Anleihen weitaus dramatischer und bei Aktien moderater. Und das liegt eben nicht daran, dass alle Anleger blind sind, sondern dass die naheliegenden Alternativen teilweise ein noch schlechteres Bild abgegeben haben.

Fazit

Moderate Mittelabflüsse aus Aktien in einer schwierigen Marktphase deuten nicht zwangsläufig darauf hin, dass der „große Knall“ im Rahmen einer Massenflucht unmittelbar bevorsteht. Die Zurückhaltung vieler Aktienanleger beruht viel eher auf einer gewissen Alternativlosigkeit, die sich im Rahmen einer dynamischen Markterholung als wertvolle Eigenschaft entpuppen kann.

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