Crash nach Wahlen in den USA?

Viele Anleger sind nervös. Die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA werden das entscheidende Thema der kommenden Woche sein. Werden wir, ausgelöst durch die Wahlentscheidung, einen scharfen Einbruch der Aktienmärkte erleben?

Erstaunlich hohe Aufmerksamkeit in Deutschland

Wohl noch nie hat eine Wahl in den USA in Deutschland ein so großes Medieninteresse hervorgerufen. Es reihen sich im unmittelbaren Vorfeld der Wahlen in den USA mehrere Dokumentationen über die Terroranschläge vom 11. September 2001, über die amerikanische Geschichte und die Biografien der Kandidaten aneinander. Am Wahltag selbst, dem 02. November, berichten alle großen Sender live über "Die Nacht der Entscheidung". Pro7 strahlt am Vorabend der Wahl - als TV-Premiere in Deutschland - den als Dokumentarfilm deklarierten "Fahrenheit 09/11" von Oscar-Preisträger Michael Moore aus. 

Überraschender Kandidat

Wie Sie bereits wissen, basiert unsere Anlagestrategie für unsere Kunden in der Vermögensverwaltung maßgeblich darauf, zu Anfang eines Jahres die Prognosen der Investmentbanken zu sammeln und diese anschließend als Kontraindikator zu verwenden. Aus historischen Studien wissen wir, dass an den Finanzmärkten nur in den seltensten Fällen das eintritt, was die Mehrheit der Analysten und Anleger erwartet. Der US-Wahlkampf passt ebenfalls in dieses Schema. Zu Anfang des Jahres hatte niemand John Kerry als Favoriten auf die Kandidatur zur US-Präsidentschaft auf der Rechnung. Howard Dean, Ex-Gouverneur von Vermont galt als aussichtsreichster Bewerber der Demokraten. Im Jahresausblick des Handelsblatts wurde John Kerry nur in einer kleinen Randnotiz als Kandidat erwähnt.

Umfragen sehen sehr knappen Vorsprung für Bush

Der Durchschnitt der aktuellen Umfragen sieht George W. Bush mit 48,6% zu 46,3% gegenüber John Kerry im Vorteil. Elektronische Wettbörsen sehen Bush ebenfalls in Front. Bluevex führt Bush mit 5,40 - Kerry mit 4,86; Tradesports.com sieht Bush mit 51,5 - Kerry mit 48,1. Die aktuelle Situation ist jedoch zu eng, um eine gesicherte Aussage über den zukünftigen Präsidenten treffen zu können. Unvorhergesehene Ereignisse könnten den Wahlausgang noch beeinflussen. Wir erinnern uns an die Anschläge von Madrid.

Die Amerikaner sind tief gespalten in drei Lager

Drei Lager? Richtig, drei! Selten hat ein Wahlkampf die Amerikaner so polarisiert wie 2004. Kerry und Bush waren zwar in Yale noch Mitglieder der gleichen Geheimverbindung "Skull and Bones", viel mehr vereint sie inzwischen jedoch nicht mehr. Die Unterstützer von John Kerry bezeichnen Präsident George W. Bush als unflexibel, unehrlich, zu konservativ und ideologisiert religiös, sie werfen ihm zudem vor, lediglich die Reichen des Landes und die Unternehmensinteressen zu vertreten. Die Unterstützer von Amtsinhaber George W. Bush sehen John Kerry als zu liberal, unerfahren, mehrdeutig in seinen Aussagen und als dazu bereit an, alle Meinungen zu vertreten um gewählt zu werden. Anhänger beider Parteien sind grundsätzlich eher gegen ihren politischen Gegner eingestellt, als für ihre eigenen Kandidaten. Republikaner beispielsweise unterstützen ihren Kandidaten Bush intensiver als die Demokraten John Kerry unterstützen. Aber Demokraten hassen George Bush mehr als die Republikaner John Kerry hassen. Die Kampagnen gegen Präsident George W. Bush sind wesentlich medienwirksamer als die der Gegner von John Kerry. Dies hat teilweise einen simplen Grund: In der amerikanischen Medienlandschaft sehen sich schätzungsweise 90% aller Reporter und Journalisten als liberal und eher "demokratisch". Die Medien bevorzugen folgerichtig mehrheitlich John Kerry. Diese beiden, ideologisch orientierten Gruppen und traditionelle Anhänger der Republikaner oder Demokraten, werden durch eine dritte, etwa gleich große Gruppe an Amerikanern ergänzt, die eher personenbezogen wählen und keiner bestimmten Ideologie folgen. Die Wahlbeteiligung, die seit dem Zweiten Weltkrieg im Durchschnitt zwischen 50 und 55 Prozent lag, 2000 waren es 59%, wird in diesem Jahr wohl höher ausfallen und Rekordwerte erreichen.

Medien übertreiben gewaltig

"Experten befürchten ein noch größeres Chaos als vor vier Jahren in Florida" ist heute der Tagespresse zu entnehmen. Ist dies wahrscheinlich? Ich denke nein. Der extrem knappe Wahlausgang vor vier Jahren ist den meisten natürlich noch im Gedächtnis, das juristische Nachspiel und Gezerre ebenfalls. Bushs Amtszeit litt auch unter dem Makel der "gestohlenen Präsidentschaft", den kuriosen Umständen der damaligen Auszählungen. Dies wird in wenigen Tagen vorbei sein. Ein recht klarer Wahlausgang ist die wahrscheinlichste Variante, zwar ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aber ein letztlich eindeutiges Ergebnis. Die Angst vor einer sich lange hinziehenden, rechtlichen Auseinandersetzung um das Amt des Präsidenten, ist in den Märkten eingepreist, diese sollte recht zügig entweichen.

Dollar-Turbulenzen in den letzten Tagen

Sollte John Kerry der nächste US-Präsident werden, würde auch ein neuer Finanzminister den bisherigen Amtsinhaber John Snow ablösen. Die Währungspolitik war im bisherigen Wahlkampf kein Thema, das zu erwartende Kopf-an-Kopf-Rennen hat in den letzten Tagen jedoch zu einem Schwächeanfall des US-Dollars geführt, der den Euro mit Kursen über 1,28 USD fast wieder an sein bisheriges Jahreshoch führte, doch der damit lediglich knapp 1% über seinem Kurs zum Jahresanfang notiert. Das Jahrestief des Euro lag bei ca. 1,17 USD.

Große Verunsicherung der Anleger im Vorfeld der Wahlen

Die Risikoaversion gegenüber US-Aktien hat in den vergangenen Tagen weiter zugenommen. Das Düsseldorfer Marktforschungsinstitut AMR hat im Auftrag von HSBC Trinkaus & Burkhardt und in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt 500 Anleger aus höheren Einkommens- und Bildungsschichten zu diesem Thema befragt. Die konkrete Fragestellung lautete: "Warten Sie bei Ihrem Aktieninvestment den Ausgang der US-Wahl ab?" 37% antworteten, dass sie ihr Kapital aus US-Aktien abgezogen hätten - 56% gaben an, dass sie grundsätzlich nicht in US-Aktien investieren würden und lediglich 7% meinten, dass sie sich nicht von den US-Wahlen in ihren Entscheidungen beeinflussen ließen.

Branchen werden differenziert gesehen

Während allgemein die Rüstungstitel, Pharma-Aktien, Öl- und Tabakwerte eher von einer Wiederwahl Bushs profitieren sollten, so sind die Kerry-Profiteure eher im Lager der Dienstleister, der neuen Energien und im Bereich Erziehung und Bildung gesehen.

Nachfolger von Fed-Chef Alan Greenspan muss bestimmt werden

Alan Greenspans Amtszeit als Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) endet vermutlich im Februar 2006 und damit in der Mitte der nächsten Amtszeit des neu gewählten Präsidenten. Greenspan wird dann 80 Jahre alt und er würde nach 18 Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Die Finanzmärkte werden die Benennung des Nachfolgers aufmerksam verfolgen, gilt das Amt des Fed-Chefs doch als das zweitwichtigste in den Vereinigten Staaten, direkt nach dem des Präsidenten. Egal ob nun Kerry oder Bush der nächste Präsident sein wird, es gibt eine Reihe geeigneter Kandidaten: Lawrence Summers (Präsident der Universität Harvard), Glenn Hubbard (Dekan der Columbia University), Martin Feldstein (Leiter des Bureau of Economic Research) oder dem Ex-Finanzminister unter Bill Clinton und heutigen Chairman der Citigroup, Robert Rubin.

Ausblick 2005

Das erste Jahr im Präsidentschaftszyklus bringt - historisch betrachtet - meist eine signifikante Abweichung vom langfristigen Durchschnitt. Die positiven Jahre erbrachten ein sehr deutliches, durchschnittliches Plus von 28,4% seit 1929. Die negativen Jahre endeten mit einem durchschnittlichen Minus von 11,4%. Gelingt es den Aktienmärkten bis zum Jahresende noch eine deutliche Rallye zu starten, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für ein negatives Jahr 2005. Wird der Zuwachs bis Ende Dezember 2004 nur moderat ausfallen, so erhöht sich hingegen signifikant die Wahrscheinlichkeit für ein sehr positives Aktienjahr 2005. Die breite Rallye am Aktienmarkt wäre dann nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben!

Fazit

Vieles spricht dafür, dass wir bereits am Morgen des 03. November wissen, wer der künftige Präsident der Vereinigten Staaten sein wird. Ein ähnlich knappes Wahlergebnis wie im Jahr 2000 ist extrem unwahrscheinlich. Die schlagartig entweichende Unsicherheit sollte die Aktienmärkte positiv beeinflussen, egal wer der zukünftige Präsident auch sein wird.

 

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