Strategische Fehler vermeiden!

"Behavioral Finance" nennt man die verhaltensorientierte Kapitalmarkttheorie. Ihren Ursprung findet diese in den Arbeiten der amerikanischen Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahnemann. Daniel Kahnemann und Vernon Smith erhielten für ihre Arbeiten 2002 den Wirtschaftsnobelpreis. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, das typisierende Menschenbild vom ?Homo Oeconomicus?, dem stets rational abwägenden Eigennutz-Maximierer, anzukratzen ? und damit das grundlegende Fundament der Wirtschaftswissenschaften in Frage gestellt.

Unvernunft ist eher die Regel

Die herkömmlichen ökonomischen Theorien beruhen einseitig auf rationalem Urteilsvermögen. Unbewusste Prozesse oder Einflüsse gesellschaftlicher Normen auf Entscheidungen blenden diese dagegen aus. Ausgangspunkt dieser Beobachtungen ist die Erkenntnis, dass menschliches Verhalten sehr oft strengen Rationalitätskriterien zu widersprechen scheint. In experimentellen Untersuchungen fanden die beiden neue, psychologisch fundierte Erkenntnisse. Ihr berühmtester Nachweis dafür, wie scheinbar irrational Entscheidungen unter unsicheren Bedingungen zu Stande kommen, lieferte ihr Glücksrad-Test: Probanden ermittelten am Glücksrad eine Zahl und wurden anschließend gefragt, wie viele afrikanische Staaten Mitglied der UNO seien. Das bemerkenswerte Ergebnis: Wer eine hohe Zahl gezogen hatte, tippte im Durchschnitt auf mehr Mitgliedsstaaten.

Was bedeuten diese Erkenntnisse für Anleger?

Investoren an den Börsen verhalten sich oft so, folgen mentalen Faustformeln und einfachen Regeln. Das macht plausibel, warum sich das Marktgeschehen so selten allein mit harten ökonomischen Daten und Fakten erklären lässt. Es werden sehr viele absurde Zusammenhänge aufgestellt und das Verhalten ist überwiegend irrational. Die häufigsten Fehler der Investoren: - Während im realen Wirtschaftsleben Sonderangebote - und damit verbunden tiefere Preise - Kunden anlocken, machen tiefe Kurse den Anlegern an der Börse eher Angst und verleiten diese regelmäßig zu Panikverkäufen. Die Statistik zeigt jedoch, dass nach drei unterdurchschnittlichen Aktienjahren die folgenden fünf bzw. zehn Jahre außerordentlich und überdurchschnittlich ertragreich waren. - Anleger fühlen sich sicherer, wenn ihr gesamtes Umfeld Aktienkäufen gegenüber positiv eingestellt ist und laufen steigenden Kursen nach. Das tatsächliche Risiko ist jedoch in einem euphorischen Umfeld weitaus höher. - Anleger bevorzugen Aktien, die nur einen einstelligen Euro-Betrag kosten, da diese optisch ?billiger? erscheinen und trauen diesen mehr Kurspotenzial zu. - Viele Investoren haben ausschließlich inländische Aktien im Depot, da sie glauben, diese besser zu kennen und damit unter Kontrolle zu haben. - Vermeintliche Kenntnisse in bestimmten Bereichen sorgen für eine Übergewichtung der entsprechenden Sektoren (z.B. Technologie) im Depot. Eine breite Streuung sorgt langfristig für einen ähnlichen Ertrag und für eine deutlich geringere Schwankungsbreite. - Fast alle Anleger handeln grundsätzlich zu viel und zu hektisch und verursachen dadurch hohe Transaktionskosten, die langfristig ihre Erträge deutlich schmälern. - Investoren überschätzen oft ihre eigenen Kenntnisse (overconfidence) und machen für ihre Fehlentscheidungen gerne andere verantwortlich. Ein Lerneffekt tritt daher kaum ein. - Mangelnde Diversifikation von verschiedenen Vermögensbestandteilen. Anleger konzentrieren sich - vor allem in Deutschland - zu sehr auf einzelne, vermeintlich sichere Anlageklassen wie Immobilien oder festverzinsliche Wertpapiere. - Zu kurzfristige Ausrichtung. Aktien sind kurzfristig riskant, langfristig aber konservative Investments. Bei Anleihen verhält sich dies aktuell - auf einem historisch tiefen Zinsniveau - eher umgekehrt. - Kaum ein Anleger verfolgt mit seiner Depotzusammenstellung eine Strategie. Das Depot wird oft willkürlich und mit kurzfristig getroffenen Entscheidungen "aus dem Bauch heraus" zusammengestellt. Nur wenn ein Anleger diese typischen und zu Fehler verleitenden Zusammenhänge für sich erkennt und umsetzt, tritt ein Lerneffekt ein und es gelingt, die gröbsten Fehler zukünftig zu vermeiden.

Fazit

Wenn die Werke von Kahnemann, Tversky und Smith einen Hinweis zur aktuellen Lage an den Finanzmärkten geben können, dann ? mit Optimismus ? vielleicht diesen: Sehr wahrscheinlich zeichnen die diffusen Ängste vor extrem steigenden Ölpreisen, einer erneuten Rezession, einer hohen weltweiten Staatsverschuldung, steigender Inflation und einem kräftigen Zinsanstieg ein Bild, das negativer ist, als es sich bei einer streng rationalen Analyse der fundamentalen Fakten ergäbe.

 

Zurück