Wahljahre - Bullenjahre?

Gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den US-Präsidentschaftswahlen und der Börsenentwicklung?

Am 2. November diesen Jahres finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Amtsinhaber George W. Bush wird von John Kerry, dem 60-jährigen Senator von Massachusetts, herausgefordert. Ich habe die statistischen Ergebnisse der letzten 100 Jahre untersucht und konnte dabei einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Präsidentschaftszyklus und der durchschnittlichen Performance des marktbreiten US-Leitindizes S&P 500 feststellen.

Präsidentschaftszyklus in den USA auffällig

Die für die zukünftige politische Marschrichtung maßgeblichsten Wahlen sind in den USA die Präsidentschaftswahlen, die alle vier Jahre stattfinden. Statistisch gesehen kann man diesen Zyklus in vier Abschnitte einteilen. Während die ersten beiden Jahre eine eher unterdurchschnittliche Performance erbrachten, so waren in der historischen Betrachtung das dritte und vierte Jahr der Präsidentschaft wesentlich ertragreicher für Aktionäre. Seit 1926 gab es lediglich zwei "dritte Jahre" und drei "vierte Jahre", die ein negatives Ergebnis beim S&P 500 für US-Aktionäre einbrachten, jedoch zehn negative "erste Jahre" und sieben negative "zweite Jahre".

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Dies spiegelt sich auch deutlich in den Durchschnittsrenditen wider. Das "erste Jahr" rentiert mit +8,5%, für das "zweite Jahr" ergibt sich ein Wert von durchschnittlich +9,9%. Wesentlich ertragreicher gestalten sich jedoch das "dritte" und "vierte Jahr" der Präsidentschaft mit durchschnittlichen Zuwächsen seit 1926 von +19,7% bzw. +13,6%.

Zweigeteilte Wahljahre

Untersucht man diese Zusammenhänge im Detail, so sind weitere Parallelen auffällig. Wahljahre sind regelrecht zweigeteilt, in eine schwächere erste und in eine wesentlich stärkere zweite Hälfte. Die durchschnittlichen Resultate der einzelnen Monate seit 1900 sprechen eine klare Sprache: Die alte Börsenregel "sell in may and go away" (verkaufe im Mai und gehe) ist in Wahljahren auf den Kopf gestellt. Sie müsste hier eher lauten "buy in may and stay" (kaufe im Mai und bleibe).

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Der Zeitraum von Juni bis Dezember eines US-Wahljahres erwies sich im historischen Vergleich der letzten einhundert Jahre als äußerst lukrativ: Die durchschnittliche Performance des S&P 500 betrug in diesem Zeitraum ansehnliche +13,24%. Die einzelnen Ergebnisse der Monate im S&P 500 der Jahre 1900 bis 2000 (in Klammern die bisherige Entwicklung in 2004): Januar +0,65% (+1,73%) Februar -0,10% (+1,22%) März +1,76% (-1,64%) April -0,23% (-1,68%) Mai -0,62% (+1,21%) Juni +1,72% (+1,80%) Juli +2,40% August +3,48% September +0,49% Oktober +1,29% November +2,05% Dezember +1,30% Der bisherige Verlauf des Börsenjahres hielt sich recht genau an diesen Fahrplan. Ende Mai notierte der S&P 500 mit lediglich 0,79% im Plus. Der historische Mittelwert für die Zeit von Januar bis Mai beträgt +1,69%. Die Abweichung beträgt weniger als einen Prozentpunkt. Der noch nicht abgeschlossene Juli weicht aber bisher recht deutlich ab. Statt einem durchschnittlichen Plus von 2,40%, steht bisher ein Minus von ca. 4% zu Buche. In den nationalen Umfragen liefern sich Bush und Kerry auch weiterhin ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem sie - wie auch in den vergangenen Monaten - immer abwechselnd mit einem geringen Vorsprung in Führung liegen. Das Rennen gestaltet sich weiterhin offen. Die Unsicherheit über den zukünftigen Präsidenten belastet die Märkte. Das Signal für eine Wende könnte der Beginn der heißen Phase des US-Wahlkampfes werden. Diese beginnt mit dem Wahlparteitag der Demokraten vom 26. bis 29. Juli 2004 in Boston. Die Republikaner starten Ende August in New York.

Wie entsteht dieser Zusammenhang?

Aktienmärkte mögen keine Unsicherheit. Wie so oft im Leben und an den Märkten ist die Angst vor einer Veränderung meist sehr viel größer als die Veränderung selbst. Je näher der Wahltermin rückt und sich ein wahrscheinlicher Sieger abzeichnet, desto mehr verschwindet diese Angst vor einer potentiellen Veränderung.

Fazit

Die zweite Hälfte des jeweils vierjährigen US-Präsidentschaftszyklus ist - statistisch untersucht - wesentlich ertragreicher als die ersten beiden Jahre, da die unpopulären Entscheidungen grundsätzlich eher zu Beginn einer Amtszeit getroffen werden. Traditionell wird ein Großteil der überdurchschnittlichen Performance eines Wahljahres im zweiten Halbjahr erzielt. Auch in diesem Wahljahr verlief die erste Halbzeit ?nach Plan?. Dieser Zusammenhang ist statistisch zu signifikant, um vernachlässigt zu werden.

 

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